Das goldene Reiskorn

Das goldene Reiskorn

Ich ging als Bettler von Tür zu Tür die Dorfstraße entlang. Da erschien in der Ferne dein goldener Wagen wie ein schimmernder Traum und ich fragte mich, wer dieser König der Könige sein. Hoffnung stieg in mir auf: Die schlimmen Tage schienen vorbei; ich erwartete Almosen, die geboten wurden, ohne dass man um sie bat, und Reichtümer, die in den Sand gestreut wurden. Der Wagen hielt an, wo ich stand. Dein Blick fiel auf mich, und mit einem Lächeln stiegest du aus. Endlich fühlte ich mein Lebensglück kommen. Dann strecktest du plötzlich die rechte Hand aus und sagtest: „was hast du mir zu schenken?“ Welch königlicher Schmerzen war das, bei einem Bettler zu betteln! Ich war verlegen, stand unentschlossen da, nahm schließlich aus meinem Beutel ein winziges Reiskorn und gab es dir. Doch wie großer mein Erstaunen, als sich am Abend meinen Beutel umdrehte und zwischen dem wertlosen Plunder das kleine Reiskorn wiederfand - zu Gold verwandeln. Da habe ich bitterlich geweint, und es tat mir leid, dass ich nicht den Mut gefunden hatte, dir mein Alles zu geben.

 

Quelle: Sinndeuter 1, georgsverlag, Peter Bleeser