Medizingeschichte Hygiene

Medizingeschichte Hygiene

Ich habe es jetzt gerade in der Pandemie erlebt, dass Hygiene und Sauberkeit einen ganz anderen Stellenwert bekam. War es doch früher so, dass es schon sauber und auch hygienisch war, muss es heute fast steril sein. Die Verbreitung von Keimen und Bakterien ist stark einzuschränken. Manche Desinfektionsmittel für die Hände sind so aggressiv und in Vielfalt zu benutzen, dass der natürliche Mantel des Hautschutzes gar aufgelöst ist. Schmerzhafte offene Stellen sind nicht selten die Folge. Für viele Menschen sind Desinfektionsmittel in der Handtasche zum ständigen Begleiter geworden. 

Natürlich hat Hygiene ihren Nutzen. Sie schützt uns vor Infektionen mit krankmachenden Erregern. Das ist ein standardisiertes und weit verbreitetes Wissen. Doch der Weg zu diesem Standpunkt, an dem wir mit dem heutigen Wissen sind, war lang und oft auch gar nicht so geradlinig. Technische Fortschritte und wissenschaftliche Erkenntnisse haben ihn geebnet. Und ob man es glauben mag oder nicht, die Seuchen, mit denen wir auf dieser Welt schon zu kämpfen hatten, haben immer einen enormen Fortschritt im Bezug auf den Umgang mit Krankheitserregern beigetragen. 

Vor 200 Jahren kannten Ärzte noch gar nicht die heutigen Hygienestandards - nach der Obduktion von Leichen wurden sich nie die Hände mit Seife gewaschen. Auch nicht, wenn danach wieder innere Untersuchungen am Patienten folgten. Damit brachten sie ihre Patienten ungeahnt in große Gefahren. Nicht selten erlagen Frauen zum Beispiel dem tödlich verlaufenden Kindbettfieber. Das hätte durch Hygiene vermieden werden können. 

 

Die heutige Wissenschaft und Medizintechnik ist so weit, dass sich schon untersuchen lässt, wie Krankheitserreger in den Körper gelangt sind und wie sich sich dort ausbreiten. So lassen sich Ansteckungsrisiken ermitteln und Infektionsketten nachvollziehen. Doch noch gar nicht so lange ist klar, was überhaupt eine Infektionskrankheit ist.

 

1675 machte Antoni van Leeuwenhoek die erste Bekanntschaft mit Bakterien unter seinem Mikroskop. Doch bis ins 19. Jahrhundert glaubten die Menschen immer noch, dass giftige Ausdünstungen des Bodens Krankheiten entstehen ließen und über Winde weiter verbreitet würden. Nicht etwas Bakterien und Viren Schuld an Erkrankungen seien. 

Dies führte dazu, dass Kranke auf eigene Inseln verbannt wurden um dort zu genesen. Daher rührt auch das heutige Wort Isolation. 

Die Besatzung von ankommenden Handelsschiffen mussten 40 Tage in Quarantäne. Quaranta ist übrigens das italienische Wort für 40, daher auch der Begriff Quarantäne. Das sollte verhindern, dass sich Seuchen in Städten ausbreiteten. Wie man bei der heutigen Pandemie sieht, ist auch das noch ein gängiges Mittel um Ausbreitungen von Krankheiten zu minimieren.

 

Die Ausbreitung der Pest wurde durch die mangelnde Hygiene in großen Städten begünstigt. Menschen, Tiere und Wesen der Kanalisation, hier Ratten, leben eng beieinander. Auch auf die Mülltrennung und Abfuhr wurde kein Wert gelegt. Der Müll und Fäkalien wurden einfach auf die Straßen gekippt oder in die Flüsse geleitet. Dadurch verunreinigte auch zunehmend das Trinkwasser. 

Um die Seuchen einzudämmen wurden die Toten Opfer außerhalb der Stadt begraben. 

 

Der bayrische Chemiker und Apotheker Max von Pettenkoeffer fand heraus, dass sich Krankheitserreger wie Typhus und Cholera über verunreinigtes Wasser verbreiten. Auf diese Erkenntnisse hin ließ die Stadt München schon in den 1880er Jahren ein eigenes Abwassersystem mit Trinkwasserversorgung errichten. Vielleicht blieb diese Errichtung auch der Grund, dass die Cholera Epidemie 1854 die letzte blieb. 

 

Die Cholera stammte eigentlich aus Indien. Eine Krankheit, die Durchfall und Erbrechen hervorruft. Meist hat sie innerhalb Stunden einen tödlichen Verlauf. 1831 brachte Berlin sogar eine eigene Cholera Zeitung heraus. Ein bisschen Ähnlichkeiten mit der heutigen Meldung der Pandemie Zahlen hat das ganze Konstrukt sicher.

Der stetige Anstieg von Krankheiten und Seuchen hatte zur Folge, dass die Regierung sich hier mehr kümmern musste. So wurde Ende des 18. Jahrhunderts die Gesundheitsfürsorge zur staatlichen Aufgabe. Wer viele uns gesunde Menschen in seinem Land hatte konnte sich behaupte. Denn das hieß, dass auch viele Soldaten zur Kriegstauglichkeit verfügbar waren.

Aber nicht nur Hygiene wurde größer geschrieben sondern auch auf die Sauberkeit des Körpers wurde zunehmend geachtet. Viele Volksbäder wurden errichtet. Das sollte auch der ärmeren Schicht die Sauberkeit des Körpers ermöglichen. 

 

Bis zu diesem Zeitpunkt war aber immer noch der Glaube vertreten, dass Ansteckungen durch Ausdünstungen des Bodens passierten. Doch einer glaubte das nicht. Und wie sich herausstellen sollte, glaubte er es zum Glück nicht und ging seinen eigenen Weg der Forschung. 

Es war Ignaz Semmelweis. Er arbeitete auf einer Geburtsstation und sah immer wieder, wie Kollegen aus der Pathologie kamen und mit ungewaschenen Händen Frauen untersuchten. Um eine Studie zu beginnen ließ er überall Handwaschbecken mit Chlorkalk aufstellen und hielt die Kollegen an, nach jeder Untersuchung und vor jeder Untersuchung die Hände zu waschen. Das Ergebnis war eindeutig: Die Infektionszahlen von Frauen mit Wochenbettfieber gingen rasant zurück. Leider war seine Statistik bei den Kollegen eher nicht angesehen. 

Erst Robert Koch gelang es, den Weg des Bakteriums für Milzbrand nachzuvollziehen. Damit war bewiesen, dass Bakterien für bestimmte Krankheiten der Auslöser sind. Koch beschrieb als Erster den Weg einer bakteriellen Infektion. Die Geburtsstunde der Bakteriologie und der Mikrobiologie. Dadurch, dass nun Bakterien bestimmt werden konnte, konnte man sie auch schneller und effektiver bekämpfen. 

 

Dieses erfolgte zum Beispiel mit Hilfe von Desinfektion, als dessen Vater der englische Chirurg Joseph Lister gilt. Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, Wundverbände vor dem Auftragen mit Phenol zu tränken. 

Florence Nightingale machte weiterhin in ihrer Arbeit als Krankenschwester deutlich, wie wichtig die allgemeine Hygiene und Sauberkeit am Patienten und im Umgang mit Krankheiten ist. Auch in der Zubereitung von Nahrung und im Umgang mit Lebensmitteln. 

Louis Pasteur fand heraus, dass Krankheitserreger hohe Temperaturen nicht überleben und bei Hitze absterben. Die Sterilisation mittels Hitze fand so ihre Wege. 

 

Im 20. Jahrhundert fanden diese Erkenntnisse zu Sauberkeit und Hygiene immer mehr Einzug und Anklang in der Medizin. In den 1970er Jahren entwickelte sich daraus eine eigene Wissenschaft, die Krankenhaushygiene. Heute hat jedes Unternehmen, was mit Menschen und deren Versorgung zu tun hat, spezielle Anweisungen an die Hygiene. 

 

Es stellte sich jedoch auch bald heraus, dass es auch ein Übermaß an Hygiene geben kann. Das spiegelt sich in der Zahl der Multiresistenten Keime wieder. Sogenannte MRSA Bakterien haben Resistenzen gegen Antibiotika gebildet. Gerade an Orten, wo der Einsatz von Antibiotika groß ist, wie Beispielsweise in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, oder in der Tierhaltung und industriellen Landwirtschaft, sind multiresistente Keime ein großes Problem. 

Wenn man nun alle Bakterien mit Hilfe eines Antibiotikums tötet und nur die resistenten überleben, können sich diese ungehindert vermehren. Auf der Haut mögen sie vielleicht noch harmlos sein. Doch gelangen sie von dort in eine offene Wunde, kann das für Menschen mit einer Immunschwäche schnell zu einem lebensbedrohlichen Problem werden. Gängige Arzneien sind dann nicht mehr wirksam.

In vielen Kliniken ist es heute schon Routine, dass Patienten bei der Aufnahme auf multiresistente Keime untersucht werden. Meist ist dies mit einem einfachen Rachen- und Nasenschleimhautabstrich getan.

Zudem versuchen Ärzte heute immer mehr, genau herauszufinden, um welche Bakterien es sich bei einer Infektion handelt. So muss kein Breitbandantibiotikum eingesetzt werden. Es kann genau nach einem wirksamen Mittel für die speziellen Bakterien geschaut werden. Auch das beugt die Ausbreitung und Bildung von Resistenzen vor. 

 

Im eigenen Haushalt ist eine aggressive Hygiene meist übertrieben. Nur ganz selten haben wir es wirklich mit Erregern zu tun, die mit vielen Hygienemaßnahmen oder sogar dem Einsatz von Waschmittel zur Desinfektion der Wäsche, notwendig ist.

Viele Experten führen den Anstieg von Allergien damit in Verbindung, dass Menschen heute gar kein gutes Immunsystem mehr aufbauen können, weil sie kaum noch mit Keimen und Bakterien in Verbindung kommen. So kann der Körper kein Gedächtnis aufbauen. Stattdessen kommt es vermehrt zum Auftreten von Allergien. Der Körper reagiert plötzlich über auf eigentlich harmlose Substanzen wir Gräserpollen.

Aber es kann noch schlimmer werden, indem der Körper sich gegen das eigene Gewebe richtet. Dann entstehen Krankheiten wie Rheuma, Multiple Sklerose oder Neurodermitis, sogenannte Autoimmunerkrankungen. 

Selbst Neugeborenen, die mit einem Kaiserschnitt auf die Welt kommen, fehlt schon der Kontakt mit Bakterien im Geburtskanal. 

 

Quellenangabe: Apothekenumschau 15.Mai.2021 B https://www.apotheken-umschau.de/