Chronische Schmerzen - was haben Sie mit der Psyche zu tun?

Chronische Schmerzen - was haben Sie mit der Psyche zu tun?

Ich habe immer wieder Patienten in der Praxis, die stark unter chronischen Schmerzen leiden. Oft ist der Weg schon lang gewesen. Therapien, Schmerzmittel, Operationen ... Aber am Ende sind die Schmerzen immer noch da. 

Da ist es für mich verständlich, dass Gefühle wie Wut und Ärger aufkommen. Auch diese Gefühle sind ein ganz wichtiger Teil und Ansatzpunkt der Therapie von chronischen Schmerzen. Denn diese Schmerzen sind nicht nur eine körperliche Angelegenheit. Der Kopf, die Psyche und die Seele spielen hier ebenso eine immens große Rolle. 

 

Aber ganz an den Anfang zurück. Warum gibt es den Schmerz eigentlich? Schmerz ist etwas sehr wichtiges und sinnvolles. Denn wenn wir Schmerz empfinden, und dieser unerträglich ist, beginnen wir zu handeln. So nehmen wir die Hand von der heißen Herdplatte oder schonen einen gebrochenen Fuß. Oft ist Schmerz auch ein Signal, welches uns handeln lässt und einen Arzt aufsuchen lässt. Doch schon häufig ist es vorgekommen, dass nicht die Krankheit selbst im Vordergrund steht, sondern auf einmal das Symptom selbst zur Krankheit wird. 

 

Es gibt Studien die belegen, dass zwischen 8 bis 16 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen leiden. Dabei stehen Rückenschmerzen und Schmerzen des Bewegungsapparates an erster Stelle. 

Doch was bedeutet nach der Definition chronische Schmerzen? Chronisch ist ein Schmerz dann, wenn er mindestens drei Monate andauert und sich nicht eindeutig auf eine bestimmte Ursache zurückführen lässt. Vielleicht weil die eigentliche Ursache des Auslösers längst behoben ist, die Schmerzen und Beschwerden aber immer noch bestehen blieben. 

Was entsteht, wenn Schmerzen bleiben, doch die Ursache schon behoben ist? Negative Gedanken stellen sich ein, die gefolgt werden von negativen Gefühlen wie Angst und Wut. Es bildet sich eine Abwärtsspirale, die durch die negativen Gedanken und Gefühle immer mehr angespornt wird. Die Schmerzen verschlimmern sich zunehmend. 

Zudem, gerade bei Rückenschmerzen, nehmen die Betroffenen eine Schonhaltung ein, bewegen sich weniger und wollen den Beschwerden ausweichen. Das mag für den Moment vielleicht wirksam wirken, aber es fördert die Schmerzen auf Dauer nur noch mehr. Denn stützende Muskulatur kann sich durch die Schonhaltung abbauen. Die Folge ist, dass die Schmerzen sich zunehmend verselbstständigen und unabhängig von der Ursache auftreten. Diesen Fall habe ich schon häufig bei einem Bandscheibenvorfall in der Praxis gehabt. 

 

Dabei ist die Lösung meist einfach und liegt auf der Hand. Eine rechtzeitige und individuelle Therapie für den Patienten ist schnell hergestellt und kann die Schmerzen und die Ursache gleichzeitig beheben. Dazu gehört, gerade auch bei chirurgischen und operativen Eingriffen, eine effektive Auswahl an Arzneimitteln, die die Schmerzen unterdrücken. Jedoch sollte bei der Selbstmedikation mit rezeptfreien Schmerzmitteln sehr vorsichtig umgegangen werden. Denn diese können sehr schnell einen Gewöhnungseffekt haben, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben oder zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Deshalb sollte die richtige Medikation bei Schmerzen immer von einem Arzt angeordnet und überwacht werden. 

 

Schmerzen haben aber auch viel mit unserem Mindset zu tun. Doch was bedeutet das? Ich kann selbst beeinflussen, ist wie fern sich der Schmerz in meine Nervenbahnen hineinbrennt. Auch die Empfindung über die Schmerzstärke hat viel damit zu tun, wie wir über den Schmerz denken und in welcher Stimmung wir gerade sind, bzw. welche Erwartungen wir an den Schmerz haben. Diesen Einfluss darf man von seiner Mächtigkeit nicht unterschätzen. Und er wird immer mächtiger, umso länger der Schmerz andauert. Auch der Umgang mit dem eigenen Schmerz entscheidet mit darüber, wie sehr er uns quält. 

Hier kann jeder selbst bei sich anfangen.

Reagiere ich sofort auf jedes Signal, das mir mein Körper sendet?

Messe ich leichten Beschwerden eine große Bedeutung zu?

 

Wer also unter langanhaltenden und chronischen Schmerzen leidet, sollte sich an ein Schmerzzentrum wenden. Hier werden die Beschwerden erst genommen und unter Betrachtung mehrerer Ebenen behandelt. In Schmerzzentren arbeiten multiprofessionelle Teams miteinander, wo verschiedene Fachspezifikationen von Ärzten und Therapeuten vertreten sind. Ein ganz wichtiger Bestandteil jeder Schmerztherapie, ob nun von chronischen oder akuten Schmerzen, ist die Verhaltenstherapie. Denn oft erleben Betroffene ihre Qual als eine Art Strafe oder Last, die sie unverschuldet tragen müssen. 

Die kognitive Therapie ist aber in jeglicher Form ein wichtiger Bestandteil der Schmerztherapie. Denn wenn die Ursache der Schmerzen in keinem körperlichen Leiden zu finden ist, muss analysiert werden, wo die Entstehung begründet ist. Es gibt auch Situationen, die die Schmerzen noch begünstigen können. So können chronische Rückenschmerzen immer dann auftreten, wenn man vor unüberwindbaren Aufgaben oder Problemen steht, der Zeitdruck im Nacken sitzt oder man ständig unter Kopfschmerzen leidet, weil man über seine Belastungsgrenzen hinaus geht, mit finanziellen Problemen kämpft und seinen Alltag mit den ganzen Aufgaben als kaum zu bewältigen ansieht. 

 

Wer unter chronischen Schmerzen leidet, sollte also auch die Psyche und die Gestaltung des Lebensalltags mit einbeziehen. Genauso ist ein schneller Beginn der Therapie wichtig. Umso später die Behandlung beginnt, umso schwieriger und langwieriger sind die Behandlungen. Dabei gibt es kein einheitliches Konzept, was man für alle chronischen Schmerzpatienten wählen kann. Für jeden muss eine individuelle Therapie gestrickt werden. 

 

Was kann ich als Betroffener selbst tun:

Mit Schmerzen immer den Hausarzt aufsuchen. Er ist die erste Instanz, kann einschätzen und im gegebenen Falle weiter leiten. 

Schmerzmittel sollten immer so eingenommen werden, wie sie von Arzt verordnet sind. Niemals sollte man selbst an der angeordneten Medikation herumexperimentieren. Wenn sie so nicht wirkt, wenden Sie sich lieber noch einmal an den Arzt und besprechen Sie mit ihm die Situation. 

Wenn es die Schmerzen zulassen, ist Bewegung ein gutes Mittel. Sie sollte aber ausreichend und angepasst an die Beschwerden und das jeweilige Krankheitsbild sein. Hier kann auch ein Physiotherapeut mit Krankengymnastik helfen.

Für die Psyche können Entspannungs- und Achtsamkeitsmethoden hilfreich sein.